Eine gute ESG-Performance beeinflusst den Wert einer Liegenschaft positiv

Allreal hat bei der Pilotphase für den neuen Schweizer Nachhaltigkeitsstandard für Bestandsbauten «SNBS-Bestand und Betrieb» mit insgesamt 27 Liegenschaften oder mehr als 70% der Flächen des Portfolios erfolgreich teilgenommen. Silvan Zehnder, Leiter Portfoliomanagement, und David Guthörl, Leiter Nachhaltigkeit, geben im Interview einen Einblick über die Herausforderungen bei der Zertifizierung von Bestandsliegenschaften und die Beweggründe, weshalb Allreal beim neuen Standard mitgearbeitet hat.

Allreal hat bei der Pilotphase für den neuen Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS)-Bestand und Betrieb teilgenommen. Was waren die Beweggründe?

David Guthörl: Wir engagieren uns seit 2023 im Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS), welches auch die SNBS-Zertifizierungen vergibt. Mit der Teilnahme an der Pilotphase für das Zertifikat «SNBS-Bestand und Betrieb» sahen wir für uns eine konkrete Möglichkeit, unser Wissen aus der Praxis direkt in ein entsprechendes Nachhaltigkeitslabel einfliessen zu lassen.

Silvan Zehnder: Per Ende des letzten Jahres waren etwas mehr als 40% der vermietbaren Fläche von Allreal mit einem Nachhaltigkeitslabel zertifiziert. Die Gebäude verfügen vor allem über Zertifikate, die sich auf die Erstellung beziehen, insbesondere Minergie-Zertifikate. In den letzten Jahren haben wir im Zuge unserer Nachhaltigkeitsstrategie gezielte Massnahmen bei Bestandsgebäuden umgesetzt, um diese in Bezug auf ESG-Themen nachhaltig zu verbessern. Diese Bemühungen möchten wir mit einer geeigneten Zertifizierung durch einen unabhängigen Dritten auch nach aussen besser sichtbar machen.

David Guthörl: Hinzu kommt, dass wir beim Bau und bei der Sanierung bereits heute konsequent auf «SNBS-Hochbau» setzen. Es ist für uns deshalb naheliegend, dass wir auch beim Bestand auf SNBS setzen möchten. Im Rahmen der Pilotphase haben wir wichtige Erfahrungen gesammelt und neue Erkenntnisse in Bezug auf den Betrieb unsere Liegenschaften gewonnen.

Auf welche Punkte legt das Label «SNBS-Bestand und Betrieb» den Fokus?

David Guthörl: Der Standard deckt mit 18 Bewertungskriterien soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte ab. Dabei geht es unter anderem um Themen wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Nutzerkomfort und Biodiversität. Es ist eine ganzheitliche Bewertungsgrundlage, die uns hilft, unsere Nachhaltigkeitsziele praxisnah und effektiv umzusetzen.

Silvan Zehnder: Bei Allreal bewirtschaften wir unser Portfolio selbst. Mit dem Portfoliomanagement, der Bewirtschaftung und dem technischen Gebäudemanagement haben wir intern das gesamte Fachwissen, um unsere Liegenschaften ertrags- und kostenoptimiert zu betreiben. Das hat uns auch dabei geholfen, die umfangreichen Fragestellungen und die Datenerhebungen bei den 27 Bestandsliegenschaften in der Pilotphase effizient umzusetzen.

Was waren die grössten Herausforderungen im Prozess?

Silvan Zehnder: Insbesondere das Zusammentragen der zahlreichen Daten aus verschiedenen internen und externen Quellen stellte eine Herausforderung dar. Hinzu kam die umfangreiche Aufbereitung der notwendigen Nachweise und die Koordination mit vielen Beteiligten. Das war zeitintensiv. Hinzu kamen die Begehungen vor Ort. Diese sind aber unerlässlich, um die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien zu prüfen und zu dokumentieren.

Du hast es bereits erwähnt, mit 27 Liegenschaften haben wir uns mit einer ziemlich grossen Stichprobe an der Pilotphase beteiligt. Warum haben wir uns für ein so grosses Sample entschieden?

Silvan Zehnder: Wir wollten ein möglichst repräsentatives Bild unseres Portfolios analysieren und haben deshalb verschiedene Nutzungen und auch grosse, komplexen Liegenschaften berücksichtigt. Im Hinblick auf die künftige Zertifizierung ist das sinnvoll. Denn gerade bei grossen und komplexen Liegenschaften haben wir auch den grössten Impact, wenn es darum geht, Emissionen zu reduzieren.

Die Pilotphase ist abgeschlossen und NNBS hat angekündigt, dass die offizielle Markteinführung des neuen Labels Ende des Jahres erfolgen wird. Werden die Allreal-Gebäude aus der Pilotphase dann automatisch das Zertifikat SNBS-Bestand und Betrieb erhalten?

David Guthörl: Nein, einen Automatismus gibt es nicht. Die Erkenntnisse aus der Pilotphase werden sicher noch zu Anpassungen führen. Entsprechend werden wir nochmals prüfen müssen, wo es allenfalls Abweichungen gibt. Dennoch haben wir gute Vorarbeit geleistet und die definitive Zertifizierung sollte dadurch schneller umsetzbar sein. Unabhängig von der Zertifizierung profitieren wir schon heute von einer verbesserten Datengrundlage und einem optimierten Betrieb der Liegenschaften.

Silvan Zehnder: Wir gehen davon aus, dass bis im Frühling 2026 die Liegenschaften aus der Pilotphase zertifiziert sein werden. SNBS ist sehr breit abgestützt. Private wie auch öffentliche Bauträger bringen sich über das Netzwerk ein und helfen mit, den Standard zu entwickeln. Aus unserer Sicht sind das die besten Voraussetzungen, damit ein Standard entstehen, der am Markt auch eine hohe Akzeptanz hat.

Es wurde bereits gesagt: eine Zertifizierung ist zeitintensiv. Lohnt sich dieser Aufwand auch im Hinblick auf den Marktwert einer Immobilie?

Silvan Zehnder: Eine gute ESG-Performance beeinflusst den Wert einer Liegenschaft positiv. Einerseits beobachten wir in der Tendenz tiefere Betriebskosten und andererseits gibt es auch Potenzial für eine Mietprämie. Diese Erkenntnisse bestätigen auch unabhängige, internationale Studien. Wir beobachten zudem eine höhere Nachfrage seitens der Mieterinnen und Mieter sowie von Seiten der Investoren, vor allem dann, wenn ein zertifiziertes Gebäude zur Erreichung der eigenen ESG-Ziele beiträgt. Das wichtigste Kriterium für den Preis bleibt aber weiterhin die Lage.

David Guthörl: Ein Zertifikat zeigt auch, dass wir die Prozesse rund um die Erstellung oder eben den Betrieb im Griff haben. Aufschlussreich ist für uns der Weg bis zur Zertifizierung. Denn daraus lassen sich konkrete Massnahmen ableiten, um den Betrieb zu optimieren und Emissionen zu reduzieren. ESG-konforme, zertifizierte Gebäude sind zudem in Bezug auf regulatorische Anforderungen als auch hinsichtlich auf Vermietbarkeit und Betriebskosten zukunftssicherer und risikoärmer.

Was ist der Unterschied zwischen einem Nachhaltigkeitslabel, das für die Erstellung einer Immobilie vergeben wird und einem Nachweis für den nachhaltigen Betrieb einer Liegenschaft?

David Guthörl: Der grösste Unterschied ist, dass viele Zertifikate für den Betrieb periodisch erneuert werden müssen. Wenn man sich vor Augen führt, dass der deutlich grössere Teil der Emissionen über die Lebenszeit einer Immobilie anfällt, macht es natürlich sehr viel Sinn, auch darauf den Fokus zu legen. Am Schluss gibt ein Zertifikat über die Prozesse und das Messen von Material- oder Energieströmen Auskunft, und aus diesem Wissen lassen sich Massnahmen implementieren, die dazu führen, dass ein Haus effizienter betrieben wird: ökologisch, sozial und ökonomisch.
 

Könnte Sie auch interessieren