Haus zum Falken – ein komplexes Projekt am Verkehrsknotenpunkt

Direkt am Bahnhof Zürich Stadel­hofen realisiert Allreal für die Axa-Anlage­stiftung das «Haus zum Falken». Das fünf­geschossige Büro- und Gewerbe­gebäude aus der Feder des Architekten Santiago Calatrava beher­bergt zudem eine öffentlich zugäng­liche Velo­station mit 800 Parkplätzen und einem direkten Zugang zum Bahnhof. Die beengten Platz­verhält­nisse und die un­mittel­bare Nähe zu Bahn und Tram erfordern auf­wendige Bau­abläufe, eine minutiöse Planung und um­fang­reiche Sicher­heits­vor­kehrungen. Ein hoch­komplexes und für alle Beteiligten heraus­forderndes Projekt.

Eine Nacht im Oktober. Aus der Vogel­perspektive sieht die Bau­stelle am Bahnhof Zürich Stadel­hofen wie ein langer, spitzer Keil aus: auf der einen Seite das geschwungene Perron­dach aus Glas, auf der anderen die Kreuz­bühl­strasse mit zwei Tram­linien, der Forch­bahn, Auto- und Velo­verkehr. Und auf der kurzen Stirn­seite liegt der Bahn­hofplatz. Rund 80 000 Passagiere steigen hier jeden Tag ein und aus. Darüber die charak­teristische Fuss­gänger­passerelle, darunter die Einkaufs­passage, 365 Tage im Jahr geöffnet. Ein vier­stöckiges Haus steht auf der Parzelle, sein Abstand zum Rand: etwa eine Handbreit.

Dieses Haus bis auf die Grund­mauern rück­zubauen, ist ab heute die Aufgabe eines Teams von rund acht Arbeitern. Vier Nächte haben sie dafür Zeit. Wobei «Nacht» exakt definiert ist. Sie beginnt um ein Uhr morgens mit dem Aus­schalten der Fahr­leitungen von Tram und Zug und endet um fünf Minuten vor fünf Uhr. Toleranz: keine. Nach einer letzten Sicher­heits­kontrolle wird der Strom wieder ein­geschaltet, und um 5.06 fährt das erste Tram, zwei Minuten später der erste Zug.

65 Tonnen schwer ist der bereit­stehende Abbruch­bagger, der mit seinem 22 Meter langen Aus­leger bestens gerüstet ist, um den Dach­first des Gebäudes gut zu erreichen. Am Bau­kran wird ein riesiger Schutz­vorhang zwischen Haus und Perron­dach hoch­gezogen. Der Maschinist wartet das Zeichen zum Los­legen ab und greift sich mit dem Greifer als Erstes ein Stück der Dach­konstruktion. Kontrolliert lässt er es zu Boden fallen. Die kommenden Stunden wird er mit viel Finger­spitzen­gefühl und doch zügig das Gebäude von oben nach unten abtragen. Dabei das anfallende Material bereits grob sortieren und immer darauf bedacht sein, dass nicht ein einziges Stück Bau­schutt auf den Perron oder das Trottoir fällt. Ein wenig wie bei dem Geschicklich­keits­spiel, bei dem man eine Draht­schlaufe entlang eines gebogenen Drahts bewegt, ohne diesen berühren zu dürfen.

Gut geplant ist halb gebaut

Der Rückbau des alten Gebäudes ist nur ein erster Höhepunkt dieses hochkomplexen Bau­projekts. Allreal-Projekt­leiter Bruno Schumacher hält mit seinem Team seit Beginn der Planung alle Fäden zusammen. Und davon gibt es viele. «Lärm­schutz, Gesund­heits­schutz, Verkehrs­lenkung, Blitz­schutz – die Liste der involvierten Amts­stellen ist fünf Seiten lang.» Zusätzlich zu den üblichen Vorgaben zur Gewähr­leistung der Sicher­heit von Passanten und Arbeitenden kommen weit­reichende Vorschriften der SBB und der Verkehrs­betriebe zum Tragen. Muss, wie während des Rück­baus, aus Sicherheits­gründen der Strom der SBB-Fahrleitung ausgeschaltet werden, ist dies mindestens ein halbes Jahr im Voraus anzumelden. Darüber hinaus gibt es Vorschriften zur Aus­gestal­tung der Bau­absperrung im Perron­bereich, zur Lenkung der Fuss­gänger­ströme oder zur Messung von Erschütterungen, die den Bahnbetrieb gefährden könnten. Denn über allem steht der Grundsatz, dass der Betrieb des öffentlichen Verkehrs niemals unter­brochen oder auch nur ein­geschränkt werden darf.

Aus diesem Grund wurde als Erstes entlang der gesamten Bau­stelle ein rund siebzig Meter langer Sicher­heits­tunnel über die Gleise von Tram und Forch­bahn sowie einen Teil der Auto­spur erstellt. Er dient als Lager- und Umschlag­platz für Bau­material, denn direkt von der Strasse her zugänglich ist die Bau­stelle für Last­wagen und Bau­maschinen nicht. Gleichzeitig dient er als Standort von Bau- und Büro­containern und als Fundament für den Bau­kran. Allein das Betonieren der Sockel für die eindrückliche Stahl­konstruktion hat eineinhalb Monate in Anspruch genommen, denn auch diese Arbeiten waren nur in der Nacht bei ein­gestelltem Tram­betrieb möglich.

Kurz vor fünf Uhr kann der Maschinist müde, aber zufrieden den Motor seines Baggers aus­schalten. Gut voran­gekommen sind sie mit ihrem Team, ohne Unter­brechungen und Zwischen­fälle, das ist das Wichtigste. Denn so detailliert, wie die einzelnen Arbeits­schritte geplant sind, würde schon eine einfache Panne an einer Bau­maschine genügen, um den gesamten Terminp­lan zu gefährden.

Während der Tages­stunden werden nun Holz, Metalle, Dämm- und Kunststoffe in die bereit­stehenden Mulden sortiert und für den Abtransport vorbereitet. Ein Teleskop­bagger mit über vierzig Tonnen Eigen­gewicht, der später auf dem Tram­tunnel stehen wird, hebt anschliessend den gesamten restlichen Beton- und Misch­abbruch Greifer­ladung um Greifer­ladung über die Strasse und verlädt ihn dort auf Last­wagen. Es wird mehrere Wochen dauern, bis alles bis auf das Strassen­niveau abgeräumt ist.

Vorbereitungs­arbeiten über ein­einhalb Jahre

Im Anschluss werden ab Dezember 2022 die Erdsonden für die Wärme­pumpen­heizung ge­bohrt, danach beginnt mit dem Bau­gruben­aushub die nächste grosse Heraus­forderung. Ganze zwölf Meter tief wird die Bau­grube am Schluss sein. So tief, dass man das Haus, das bis vor Kurzem noch hier stand, problemlos darin ver­schwinden lassen könnte. Und mit senk­rechten Wänden, keine fünf Meter von den Bahn­gleisen entfernt. Tonnen­schwere Stahl­träger werden notwendig sein, um die Beton­wände gegeneinander abzustützen. Das gesamte Aushub­material muss für den Abtransport wiederum über den Schutz­tunnel auf die andere Strassen­seite bewegt werden. Kein Wunder, dauern die Arbeiten an der Baugrube fast ein ganzes Jahr.

Mit dem Betonieren der Boden­platte soll dann Ende 2023 der Grunds­tein für das eigentliche Gebäude gelegt werden. Noch einmal ein­dreiviertel Jahre später, wenn das fertige Gebäude der Bau­herr­schaft übergeben worden ist, wird man kaum mehr erahnen können, wie viele Nacht­schichten dafür notwendig waren.

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