Ein nachhaltiges Vorzeigeprojekt am Zürichsee

Umgeben von einem Baugerüst steht Anfang Jahr 2022 nur noch der Rohbau eines Geschäfts­hauses an der Bellerivestrasse 36 in Zürich Riesbach. Angesichts der seit Jahren regen Bautätigkeit in und um Zürich ist dies eigentlich nichts Ausser­gewöhnliches. Das Gebäude zwischen Bellerivestrasse und dem Zürcher Seeufer hat aber seit seiner Fertigstellung im Jahr 1974 eine bewegte Geschichte erlebt. Nach beinahe einem halben Jahrhundert modernisiert Allreal das ehemalige Elektrowatt-Gebäude von Grund auf.

Im Jahr 1974 erholte sich die Welt gerade von der Ölkrise aus dem Vorjahr, Richard Nixon trat nach der Watergate-Affäre als Präsident der USA zurück und an der Fussball-Weltmeisterschaft gewann Deutschland den Titel im eigenen Land. In Zürich eröffnete die Elektrowatt an der Bellerivestrasse 36 ihren neuen Hauptsitz. Grosszügig, auffallend und an bester Lage. Das international agierende Unternehmen gehörte zu den führenden Unternehmen der Schweiz. Ursprünglich eine Finanzierungs­gesellschaft, wie es typisch war für die europäische Elektro­industrie gegen Ende des 19. Jahr­hunderts, repräsentierte der neue Hauptsitz mit der modernen Architektur den wirtschaftlichen Erfolg.

In den 1990er-Jahren beschloss der Haupteigentümer eine Neuorientierung und damit den Ausstieg aus dem Energie­geschäft. Die Elektrowatt wurde aufgespaltet und verkauft. Im Zuge dieser Veränderung kam auch das Gebäude an der Bellerivestrasse 36 auf den Markt und ging 2004 in den Immobilien­bestand von Allreal über.

Seit der Erstellung der Liegenschaft wurden lediglich kleinere Mieter­ausbauten und einzelne Sanierungen der haustechnischen Anlagen vorgenommen. Insbesondere die Gebäudehülle erfüllt heutige Komfort­ansprüche und energetische Anforderungen nicht mehr. Erneuerungs­bedarf gab es aber auch beim baulichen Brandschutz und der Erdbeben­sicherheit. «Für uns war deshalb schon länger klar, dass wir das Gebäude von Grund auf sanieren wollen», sagt Alain Paratte, Leiter Immobilien und Mitglied der Gruppen­leitung von Allreal.

Überzeugende Grundrisslösungen und pragmatischer Umgang mit dem Bestand

Vor rund drei Jahren zeichnete sich ab, dass der Ankermieter PartnerRe aus dem Gebäude ausziehen wird. Für Allreal ist Kundennähe ein wichtiger Erfolgs­faktor, entsprechend unterstützte das Unternehmen PartnerRe bei der Suche nach einem Standort, der die veränderten Bedürfnisse abdecken konnte. Mit dem eigenen Neubau­projekt an der Hardstrasse 299/301 in Zürich-West fand sich eine für beide Seiten optimale Lösung. Damit bot sich die Möglichkeit, die Modernisierung des Gebäudes an der Bellerivestrasse 36 umzusetzen. Im Fokus standen dabei eine Verbesserung der Flächen­aufteilung und die konsequente Ausrichtung auf die Erfordernisse der Nachhaltigkeit. 

«Für das Projekt führten wir einen Studien­auftrag mit verschiedenen Architektur­büros aus dem In- und Ausland durch», erinnert sich Murat Özküp-Steiner, Leiter Projekt­entwicklung bei Allreal. Ziel war es, eine hohe architektonische Qualität und ein überzeugendes Erscheinungsbild, auch in Bezug auf die städte­bauliche Einordnung, aus dem Wettbewerb zu generieren. Gefordert waren aber auch ein energetisch innovatives Gesamt­konzept, eine multi­funktionale Nutzungs­möglichkeit des Gebäudes und ein stimmiges Aussen­raum­konzept, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren.

Im Herbst 2019 empfahl die Jury unter der Leitung von Dani Ménard das Projekt von C.F. Møller Architects zur Weiter­bearbeitung und machte es damit zum Siegerprojekt. «Das Projekt besticht durch eine frische und helle Erscheinung», sagt Murat Özküp-Steiner mit Verweis auf den Jurybericht. «Das Projekt richtet das Gebäude konsequent zum See hin und auf die See­promenade aus, überzeugt mit den Grundriss­lösungen in den Büro­geschossen und beweist einen pragmatischen Umgang mit dem Bestand.»

Herausforderndes und komplexes Projekt

Nach Einreichung des Baugesuchs im Sommer 2020 folgte der Bauentscheid noch vor dem Ende desselben Jahres, womit das Projekt Bellerivestrasse 36 von der Sparte Projekt­entwicklung in die Sparte Realisation überging. «Nachdem der Entscheid fiel, dass ich für dieses Projekt die Gesamt­projektleitung in der Ausführungs­phase übernehme, wurde mir auch klar, dass meinem Team und mir zwar ein schönes und interessantes, gleichzeitig aber auch sehr heraus­forderndes und komplexes Projekt bevorsteht, welches alleine schon durch den Bestandsbau sehr anspruchsvoll werden wird», sagt Alain Granwehr. Der Projektleiter aus der Sparte Realisation hat für Allreal schon viele komplexe Projekte umgesetzt. So war er bereits auf dem Richti-Areal in Wallisellen für zwei Baufelder verantwortlich oder setzte in Aarau das Projekt Gleis 0 beim Bahnhof Aarau um, wo engste Platzverhältnisse, ein enger Zeitplan und die Nähe zu den Gleisanlagen grosse Heraus­forderungen darstellten. «Die dabei gewonnene Erfahrung kann ich nun an der Bellerive­strasse einbringen», freut sich Alain Granwehr.

Vom Erdgeschoss bis ins sechste Obergeschoss werden die rund 9300 Quadratmeter Büroflächen im erweiterten Grund­ausbau erstellt. «Das bedeutet, dass die späteren Bürobereiche mit Doppelboden ohne Belag und mit aktivierten Metalldecken, welche für das Heizen und Kühlen sowie die Be- und Entlüftung zuständig sind, ausgebaut werden. Allgemein­zonen wie Nasszellen, Korridore, Vorplätze, Atrium, Haupteingang und Restaurant werden vollständig ausgebaut», so der Projektleiter.

Photovoltaikanlage wird einen grossen Teil des Strombedarfs abdecken

Im Erdgeschoss entsteht auf einer Fläche von rund 415 Quadratmeter ein Mitarbeiter­restaurant mit Gastronomie­küche. Garderoben, Lager-und Nebenräume des Restaurants befinden sich im zweiten Untergeschoss. Nach Abschluss der Arbeiten wird das Gebäude hohe Anforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit erfüllen. Angestrebt ist eine LEED-Platinum-Zertifizierung.

Zum nachhaltigen Betrieb wird auch die neue Photovoltaik­anlage beitragen, die rund 270 000 Kilowatt­stunden Strom pro Jahr produzieren wird. Die Photovoltaik­module werden auf dem Dach und an der Fassade montiert. Die 114 Module auf dem Dach produzieren jährlichen einen Ertrag von rund 32 000 Kilowatt­stunden. Den bedeutend grösseren Teil von jährlich rund 235 000 Kilowatt­stunden werden aber die Module an der Fassade erzeugen. «Die Fassade ist mit den PV-Modulen, dem auskragenden Vordach und dem innen­liegenden Blendschutz denn auch eine besondere Heraus­forderung bei der Realisierung», so Gesamt­projektleiter Alain Granwehr. Für die Beheizung des Gebäudes wird dank einer Seewasser­konzession auf den naheliegenden Zürichsee zurückgegriffen. Nach Fertig­stellung deckt der so gewonnene Strom einen grossen Teil des Energie­bedarfs des Gebäudes sowie des Nachbar­hauses an der Bellerivestrasse 30 ab, welches ebenfalls zum Liegenschaften­portfolio von Allreal gehört. 

Dank der neuen Anlage kann komplett auf fossile Energie­träger verzichtet werden und, je nach Ausbau der Elektro­lade­stationen bei den Park­plätzen, wird eine Eigen­verbrauchs­rate in der Liegenschaft von 75 bis 90 Prozent erreicht. Das Geschäfts­gebäude trägt damit direkt zu den im Jahr 2021 formulierten Nachhaltigkeits­zielen bei, wonach das Portfolio der Rendite­liegenschaften bis spätestens 2050 die CO2-Neutralität erreicht und den Anteil der fossilen Energieträger bis im Jahr 2030 halbieren wird.

Nach der Fertigstellung im zweiten Halbjahr 2023 findet das Gebäude somit wieder zu seinen Wurzeln zurück: grosszügig, auffallend und an bester Lage. Dass sich dafür auch bereits mit der La Prairie Group ein Ankermieter für beinahe zwei Drittel der Bürofläche finden liess, bestätigt die Objekt­strategie.

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